„Von meinem alten Koordinations-Trainer Dieter Bremer gibt es viele Lehrsätze. Einer lautet: „Starker Rumpf, schnelle Beine.“ Was er damit meint ist, dass Waschbrettbauch und ein kräftiger Rücken nicht nur sexy aussehen, die körperliche Haltung verbessern, sondern auch Laufstil, Laufkomfort und damit das eigene Tempo.
Beim Laufen muss die Energie in die Bewegungsrichtung gelenkt werden – und das ist eben nach vorne. Alles, was von dieser Richtung ablenkt, behindert das schnelle Fortkommen. Wer also ständig mit den Armen zur Seite schlackert, lenkt auch einen Teil der Energie dorthin. Wer seinen Kopf in den Nacken fallen lässt, lenkt die Energie nach hinten. Der Athlet, der wild mit den Armen rudert, lenkt sie überall hin. Nur eben nicht nach vorne.
Ich weiß nicht, ob der große tschechische Läufer Emil Zatopek wenigstens ein bisschen von alledem wusste, auf jeden Fall ist er DAS Beispiel für einen unökonomischen Laufstil. Zu recht gab man ihm damals den Spitznamen „Die Lokomotive“. Und als diese in den fünfziger Jahren über die Aschenbahnen schnaufte, war diese Art zu Laufen kein ästhetischer Genuss, so schwerfällig schuftete sich Zatopek über die Runden. Aber: Er war Weltklasse. Wurde viermal Olympiasieger und stellte jede Menge Weltrekorde auf. Möglicherweise hätte er jedoch noch schneller laufen können, wenn er an Koordination und Kraft gearbeitet hätte. Oder zumindest etwas mehr.
Ein starker Rumpf verhindert, dass der Körper bei zunehmender Erschöpfung zusammensackt, sondern aufrecht bleibt. Aufrecht und eine ganz leichter Vorlage ist die beste Körperhaltung eines Läufers. Doch wenn die Rumpfmuskulatur erschlafft, bleibt von so einem Ideal nicht mehr viel übrig. Zudem müssen die Beine bald doppelte Arbeit verrichten, um etwa die Stöße abzufangen, mit der jeder Schritt den Körper belastet. Vorher wurden diese Stöße auch vom Rumpf abgefedert. Dass so ein unökonomisches System weder Bestleistung ermöglicht noch für freudvolles Laufen sorgt, sollte jedem einleuchten.
Der Klassiker für den aufrechten Lauf ist das „Lauf-ABC“, auch „Laufschule“ genannt. Das sind grundlegende Technikübungen, mit denen jeder seinen Laufstil schulen und aktive Verletzungsprophylaxe betreiben kann. Dazu gehören einfache Übungen wie Hopserlauf, Kniehebelauf, Slalomläufe, Seitsprünge. Es geht über und um kleine Hindernisse. Man kann querfeldein durch den Wald rennen, dabei über die natürlichen Hindernisse springen (Bäume, Erdhügel), um leichtfüßig zu werden und seine Gewandtheit trainieren. Denn wer im Unterholz vor sich hin stapft wie ein Elefant, wird schnell stolpern und stürzen.
Ein gutes „Lauf-ABC“ ist abwechslungsreich und dauert etwa eine dreiviertel Stunde. Länger bringt es bei Anfängern nichts, weil diese dann müde werden und die Übungen nicht mehr kontrolliert durchführen können. Gute, erfahrene Läufer setzen ein paar Minuten ABC-Übungen stets an das Ende ihrer Dauerläufe aus rekoordinativen Zwecken, wie es im Trainingslehredeutsch heißt. Also zum Auflockern und zum Üben der dynamischen Laufhaltung, die beim Dauerlauf etwas verlorengeht. Waldemar Cierpinksi, für die DDR Marathon-Olympiasieger 1976 in Montreal und 1980 in Moskau, stellte sich auch nach langen Läufen aus ebendiesen Gründen gerne auf die Aschenbahn und sprintete mehrmals über 200 Meter.
Das ist zu ambitioniert für den Hobbyläufer. Aber mindestens einmal die Woche ein gepflegtes „Lauf-ABC“ auf dem Rasen sollte sein, macht Spaß und steigert mit zunehmender Übungsstabilität die Lauflust. Übungen dazu gibt es jede Menge, etwa auf Youtube, man kann sich hier auch beim Koordinations-Training von Fußballspielern einiges abschauen. Und wer keine Materialien hat muss nicht extra im Sportfachhandel einkaufen: Leere Joghurtbecher sind beispielsweise prima Hütchen, mit denen man wiederum einiges anstellen kann.
Und jetzt zum starken Rumpf. Gut, dafür kann man im Fitnessstudio pumpen – aber die dicken Muskeln der Muckimänner sind fürs Laufen kontraproduktiv, weil zu schwer. Wer jemals einen Bodybuilder laufen gesehen hat weiß, was ich meine. So einer erinnert an einen Bären. Aber Läufer sollen ja Rehe sein.
Der Läufer macht deswegen Kraftausdauertraining. Geringe Gewichte, dafür viele Wiederholungen mit kurzen Pausen. Denn wir sind ja Ausdauersportler und wollen keine Hinkelsteine schleppen. Also muss die Muskulatur auf ihren Dauereinsatz vorbereitet werden. Es geht um den Transport des eigenen Körpergewichts über einen langen Zeitraum. Dafür braucht man die richtige Kraft – und die richtige Technik. Wichtig: Nicht nur die gerade, sondern auch die schrägen Muskelketten trainieren. Das ist gerade beim Bauch wichtig, denn hier arbeitet die schräge Muskulatur wie eine Schlinge für den unteren Rumpf und verhindert, dass man ins Hohlkreuz fällt.
Also, ran an die Muskeln.“