Tommy Hughes wollte mit 64 Jahren tatsächlich unter 2:30 Stunden laufen. Auch wenn das Weltrekordprojekt scheiterte, war ein großer Sportsmann am Main zu Gast.
Er hatte das wirklich drauf mit dem angestrebten Weltrekord. Er wollte der erste über 60 Jahre alte Athlet werden, der 42,195 Kilometer unter 2:30 Stunden bewältigt. Vor fünf Monaten, im Frühling, da lief Tommy Hughes in 2:36 Stunden ins Ziel. Beim Marathon in Belfast, der nordirischen Hauptstadt. Zwei Stunden und Sechsunddreißig! – und zwar auf einer Strecke mit Hügeln und schwierigem Gelände. Sieben Minuten wollte er auf der schnellen Frankfurter Strecke schneller unterwegs sein. Aber schon nach zehn Kilometern spürte Tommy, dass der Plan nicht aufgehen wird: Oberschenkelbeschwerden. Keine Frage aber für den beeindruckenden irischen Sportsmann, dass er das Rennen durchziehen wird. Als er in die Festhalle einlief, standen 2:45 Stunden auf der Uhr. Neun Minuten langsamer als in Belfast.
Tommy Hughes wäre nicht Tommy Hughes, wenn ihn das nicht zugleich anspornen und auch wurmen würde. „Nächstes Jahr will ich wiederkommen“, sagte der 64-Jährige kurz nach der Enttäuschung. Es wäre ein zu schönes Lauf-Märchen gewesen: Tommy, der einstige Olympiateilnehmer, der einstige Suchtkranke, der ewige Kämpfer und am Ende der einfach nie altern wollende Weltrekordler. Zur Wahrheit gehört nämlich, dass Tommy Hughes den Weltrekord von wem brechen wollte? Genau, von Tommy Hughes. Und auch deswegen konnte er im Ziel bald auch wieder lachen. Nie würde er zugeben oder laut aussprechen, dass ihm das Ergebnis – für sein Alter immer noch enorm beeindruckend – wie eine Zumutung vorkommen muss. Um ihn zu verstehen, muss man wissen, dass er ein Mann ist, dem sein Alter nicht mehr bedeutet, als anderen Männern seines Alters einzelne Kleidungsstücke. Er sagt Sätze wie: „Ich könnte wie ein Profi trainieren, wenn mein Körper mich nur ließe“. Damit übertreibt er nicht. Jeden Morgen stehe er um halb Vier auf. Damit er genügend Zeit für Langstreckentraining hat, bevor er auf die Arbeit muss. Er kann es nicht lassen, sich hohe, eigentlich gigantische Ziele zu setzen, nämlich einzig und allein Weltrekorde sind es, die ihn antreiben. Vier davon hat er schon in seiner Tasche. Zwei davon stellte er in Frankfurt auf, im Jahr 2019, als er im Alter von damals 59 Jahren, mit einer Sensationszeit von 2:27:52 Stunden ins Ziel kam – und gemeinsam mit seinem Sohn Eoin das erste Vater-Sohn-Duo war, dass gemeinsam unter fünf Stunden blieb. Und sollte Tommy jemals in seinem Leben die Marke von 2:30 Stunden nochmal unterbieten, dann wäre er der erste Mensch, der diese Schallmauer in fünf unterschiedlichen Dekaden durchbrochen hätte, von den 1980ern bis in die 2020er hinein. Vor zwei Jahren wäre ihm das schon fast gelungen, da lief er im englischen Manchester in 2:30:05 Stunden ins Ziel. Dann kam eine Verletzung, die ihn ein Jahr pausieren ließ. Dann kam sein Comeback. Und dann kam Belfast. Und mit Belfast die Hoffnung, dass sein Körper einfach nicht nachlassen wird, gegen alle Widerstände hinweg, gegen seine überstandene Depression, gegen den Alkoholismus, der ihm nach seiner Olympiateilnahme 1992 schwer zu schaffen machte, und gegen Verletzungen, die ihn immer wieder zurückgeworfen haben. Nächstes Jahr wird Tommy Hughes 65 Jahre alt – damit erreicht er eine neue Altersklasse. Läuft er dann einen Marathon in weniger als 2:41:57 Stunden, dann knackt er den nächsten Weltrekord. Fest steht: Tommy wird es versuchen.