Marathon bedeutet nicht bloß, den eigenen Körper mit seinen Grenzen bekannt zu machen. Wer mehr als 42 Kilometer rennt, hat im ganz klassischen Sinne auch eine Reise vor sich. Eine Zeit, sich zu besinnen?
Auf das klopfende Herz zum Beispiel, die anfeuernden Zuschauer, die schwerer werdenden Beine, die Gedanken, die unter dieser Belastung plötzlich in den Kopf schießen? Laufen bedeutet nicht nur, wie weit einen die Beine tragen, sondern auch eine Begegnung mit sich selbst. Eine Begegnung, für die sich so manche Läufer am Vorabend des Mainova Frankfurt Marathon spirituelle Inspiration einholen wollen – und bei Peter Noss landen.
Er ist ein Pfarrer, der aus leib- und lebhafter Erfahrung sprechen kann: Die beiden größten deutschen Marathons, in Berlin und Frankfurt, hat er schon bewältigt. Am Samstagabend vor dem Lauf wird er zusammen mit seiner katholischen Kollegin Gabrielle Braun den ökumenischen Marathon-Gottesdienst leiten.
Ein Relikt vergangener Tage in einer zunehmend religionsfremden Gesellschaft?
Keinesfalls, sagt er: „Als Christ ist es zwar für mich persönlich bedauerlich, dass Religion gesellschaftlich an Bedeutung verliert, aber im kollektiven Gedächtnis ist immer noch vieles hängengeblieben.“ Der Gottesdienst richte sich dabei keineswegs nur an Menschen, die an Gott glauben. „Immer wieder nehmen auch Leute ohne religiösen Bezug eine
Karte von uns mit“, sagt Noss. Ob Karten oder Armbänder, am Ende gehe es darum, den Läufern auch in schwierigen Momenten eine emotionale Stütze anzubieten, gerade während der „Durststrecken, bei denen ein Psalm schon helfen kann“, so Noss. Das übergeordnete, fast schon zentrale Ziel des ökumenischen Gottesdienstes geht dabei über den Sport hinaus: Verständigung und Frieden zu stiften, auch zwischen den Religionen. Schon in den vergangenen Jahren
gingen interreligiöse Staffeln an den Start, die bisweilen „eine Welle der Begeisterung“ ausgelöst haben, wie Noss sagt.
Denn ob Muslim, Jüdin, Christ oder Atheistin: Auf der Strecke streben sie gemeinsam der Ziellinie entgegen. Da hilft es, sich gegenseitig zur Seite zu stehen und sich an das Motto des diesjährigen Marathon-Gottesdienstes zu erinnern: „Miteinander läuft’s“.