3. April 2019 | Marathon-News

Gleichauf und doch anders: Wenn Frauen Marathon laufen

„Frauen sind zu schwach, um einen Marathon zu laufen. Außerdem bekommen sie davon Haare im Gesicht und die Gebärmutter kann herausfallen.“ Aussagen wie diese sind kein Bestandteil eines seltsamen Comedy-Programms. Sie spiegeln vielmehr die Meinung von zahlreichen Ärzten wieder – und das noch vor kaum mehr als 50 Jahren. Beim 37. Mainova Frankfurt Marathon traten 2.303 Finisherinnen wieder einmal den Gegenbeweis an. Jutta Mader, die älteste von ihnen, fühlte sich selbst mit 80 Jahren noch nicht zu schwach für die Marathonstrecke. So liegen viele überholte Vorstellungen über laufende Frauen längst im Reich der Mythen und Legenden. Und doch gibt es einiges, was sie von laufenden Männern unterscheidet. Warum treten zum Beispiel immer noch weniger Frauen an die Marathon-Startlinie als Männer? Was können wir tun, um Frauen zu ermutigen und ihnen das bestmögliche Lauferlebnis auf der Marathonstrecke zu bieten? Um das herauszufinden haben wir mit unserem Projekt #marathongirls sieben Frauen begleitet, die am 28.10.2018 an die Startlinie gingen. Die Läuferinnen sind zwischen 27 und 49 Jahre alt und haben sehr unterschiedliche Biografien. Gibt es dennoch etwas Gemeinsames, spezifisch Weibliches im Laufalltag der Frauen? Wie sehen sie sich selbst im Verhältnis zu ihren männlichen Laufkollegen?

 

Laufen ist Freiheit

Die wichtigste Erkenntnis: Für alle #marathongirls ist das Lauftraining eine Möglichkeit, etwas für sich zu tun und sich frei zu fühlen. Von den Kindern, die ständiges Engagement einfordern, von der Arbeit in Haushalt und Büro, aber auch von dem Druck, bei alledem auch noch wie aus dem Ei gepellt auszusehen. „Laufen ist für mich der Moment, wenn niemand etwas von mir will“, sagt die 43-jährige Jasmin, berufstätige Mutter von zwei Kindern. So geht es fast allen: Den Kopf frei bekommen, für sich sein, Kräfte sammeln – das ist eine wichtige Motivation, um zu laufen. Viele Männer mögen das ähnlich empfinden, doch die Mehrfachbelastung durch Kindererziehung und Beruf ist bei Frauen deutlicher. Wie Jasmin, so stehen auch die vierfache Mutter Sigrid und die Alleinerziehende Valerie oft sehr früh zum Laufen auf – nach der Rückkehr werden die Kinder geweckt und das Frühstück gemacht. Doch der erste Teil des Tages gehört nur Mama.

 

Das Training als Familienprojekt

Das heißt nicht, dass die Familie nicht immer in die Laufaktivitäten eingebunden ist. Bei der dreifachen Mutter Kerstin sind die Kinder sogar Dreh- und Angelpunkt des Trainings. „Meine Kinder sind meine Trainer“, sagt sie. „Sie bestimmen, was möglich ist.“ Zum Laufen nimmt Kerstin die Kinder einfach im Laufbuggy mit – auch zum Wettkampf. In diesem Jahr brach sie beim Mainova Frankfurt Marathon mit einer Zeit von 3:14:24 den Doppeljogger-Rekord über 42,195 km. Jasmin lässt sich gelegentlich von ihren Kindern auf dem Fahrrad begleiten, die 42-jährige Hanna hält es ebenso. Doch auch die Partner spielen für laufende Frauen eine große Rolle. Hanna, Sigrid, Kerstin und die 27-jährige Anna laufen oft mit ihren Ehemännern und Lebensgefährten. „Er ist zwar langsamer als ich, aber auf den kürzeren Strecken laufen wir gern zusammen“, sagt Anna. Die Unterstützung des Partners ist wichtig, wie alle Frauen bestätigen. Sigrid lief mit ihrem Mann Hand in Hand in die Festhalle ein: „Es stärkt einen als Paar, wenn man zusammen so etwas Großes schaffen kann“, davon ist sie überzeugt. Dieter Baumann schrieb einmal in einer seiner Kolumnen, es würde weniger Ehescheidungen geben, wenn alle Paare miteinander laufen gehen würden. Die #marathongirls stimmen dem ohne Zögern zu.

 

Lauffreunde statt Gegner

Wie die Familie, so sind für unsere #marathongirls auch die Freunde wichtig – im Training und an der Marathonstrecke. Die meisten von ihnen sind in Laufgruppen unterwegs und haben durch das Laufen neue Freunde kennengelernt. Für Hanna, die als @Laufraupe auf Instagram zu finden ist, bringt der Austausch in virtuellen Freundeskreisen viel Spaß und Bestätigung. „Statt Netflix zu gucken kann man doch auch miteinander laufen!“, sagt Anna. Und die 31-jährige Verena empfiehlt Laufanfängerinnen: „Schnapp dir einfach eine Freundin und los geht’s! Quatschen kann man schließlich genausogut unterwegs!“

 

Und was ist mit dem Thema Ehrgeiz?

Zum Klischee rund um das Thema Marathon gehört, dass es weiblichen Läuferinnen möglicherweise an Biss und Ehrgeiz fehlt, um sich auf die 42 km-Strecke zu machen. Sind Frauen wirklich solche Schönwetterläuferinnen, die die Herausforderung meiden? Ein Missverständnis, findet Jasmin. „Frauen sind nicht weniger kämpferisch, aber tendenziell einfach entspannter.“ Verena glaubt, dass Frauen sich manchmal zu wenig zutrauen. Sie selbst ist durch eine chronische Erkrankung im Training eingeschränkt und musste erst Mut für das Unternehmen Marathon fassen. Mit fehlendem Ehrgeiz habe das aber nichts zu tun. Darüber hinaus ist Laufen für alle #marathongirls nicht nur dazu da, um ein Leistungsziel zu erreichen. Sigrid meint dazu: „Laufen erfüllt mich rundherum, nicht nur sportlich“. So könne es ihr auch schon mal passieren, dass sie ihre aktuelle Bestzeit nicht wüsste. Ihrem Mann würde das nie passieren.

 

Frauen herzlich willkommen

Keine Frage: Laufende Frauen haben persönliche Ziele, für die sie genauso konsequent trainieren wie Männer. Einen Marathon gehen sie oft ganz bewusst dann an, wenn er in die eigene Lebensplanung passt. Der Tag selbst wird als Gemeinschaftserlebnis geplant – mit Freunden, der Familie, dem Partner. Während es unter Männern etliche einsame Wölfe gibt, die ihr Marathonprojekt durchziehen, sind Frauen tendenziell besonders am Miteinander interessiert. Die gute Atmosphäre, stressfreie Abläufe und Zuschauerunterstützung sind mindestens genauso wichtig wie ein schneller Kurs. Eine Marathonveranstaltung, die das berücksichtigt, kann laufenden Frauen gerecht werden, sie anspornen und motivieren. Wir freuen uns, dass uns das nicht nur in Bezug auf unsere #marathongirls gelungen ist. Und wir werden weiter daran arbeiten, in Zukunft noch mehr Frauen auf den roten Teppich zu locken.

Warum treten zum Beispiel immer noch weniger Frauen an die Marathon-Startlinie als Männer? Was können wir tun, um Frauen zu ermutigen und ihnen das bestmögliche Lauferlebnis auf der Marathonstrecke zu bieten? Um das herauszufinden haben wir mit unserem Projekt #marathongirls sieben Frauen begleitet, die am 28.10.2018 an die Startlinie gingen.