Als Stamata Revithi ihren Marathon erfolgreich beendete, lief sie nicht über einen roten Teppich. Es gab keine offizielle Zeitmessung und niemanden, der ihr zujubelte. Im Gegenteil: Es war ihr untersagt worden, im Stadion einzulaufen, dort, wo die anderen Marathonläufer ihre Erfolge feierten. Stamatas Ziel lag vor den Toren der Sportstätte. Dort angekommen ließ sie sich ihre Zielzeit offiziell schriftlich bestätigen. Wie lange sie für die rund 40 Kilometer gebraucht hatte, darüber gibt es dennoch unterschiedliche Angaben.
Es ist ja auch alles schon sehr lange her, 128 Jahre um genau zu sein. Denn Stamata Revithi, eine alleinerziehende Mutter ohne Arbeit, war die erste Marathonläuferin der Geschichte. Sie war bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen angetreten,
inoffiziell versteht sich. Doch dass es sie gab und dass sie die Strecke lief, das ist verbrieft. Sie selbst hatte für amtliche Papiere gesorgt. Nach ihrem historischen Lauf verliert sich jedoch ihre Spur. Während Spyridon Louis als Sieger der Herren gefeiert wurde, bis heute als Namensgeber vieler Vereine weltweit bekannt ist, kennt Stamata Revithi fast niemand. Wir feiern Kathrine Switzer, die 1967 als erste Frau beim Boston Marathon antrat und damit gegen die Statuten verstieß oder Joan Benoit Samuelson, die 1984 als erste olympische Marathonläuferin mit ihrem Lauf in Los Angeles in die Geschichte einging. Aber Revithi?
MEHR FRAUEN – ABER NICHT GENUG
Vielleicht fragen Sie sich nun, was eine griechische Läuferin aus längst vergangener Zeit mit dem Mainova Frankfurt Marathon zu tun hat. Schließlich gibt es Positives zu vermelden: Der Frauenanteil bei Marathonläufen deutschlandweit steigt immer weiter an, so auch in Frankfurt. Und die Läuferinnen leisten Großartiges: Mehr als 41 % der Teilnehmerinnen des Mainova Frankfurt Marathon 2024 blieben unter der bei Freizeitläuferinnen und -läufern magischen Grenze von vier Stunden – angeführt von Hawi Feysa, die mit 2:17:25 den Streckenrekord bei den Frauen deutlich verbesserte. Seit Jahren porträtieren wir Läuferinnen im Vorfeld unserer Veranstaltung, wir erzählen ihre oft bewundernswerten Geschichten, fragen sie nach ihren Wünschen, Zielen und Marathon-Erlebnissen, die wir in verschiedenen Medien veröffentlichen. Damit möchten wir für das sorgen, was Stamata Revithi nicht vergönnt war: Respekt und Sichtbarkeit. Doch trotz der guten Nachrichten bildet der Frauenanteil im Marathon noch immer nicht die Laufbegeisterung von Läuferinnen in Deutschland ab. Eigentlich müssten noch viel mehr Frauen an den Start gehen, zumal wenn man in die USA blickt, wo das Läuferfeld sich beinahe hälftig in Männer und Frauen aufteilt. Aber woran liegt es, was können wir tun, um noch mehr Frauen für den Mainova Frankfurt Marathon zu begeistern?
KEINE LUST AUF ANSTRENGUNG?
Deutschlands größte Läuferplattform RUNNER‘S WORLD hat sich im Sommer 2024 der „Frauenfrage“ angenommen. In einer Umfrage unter 323 Frauen und 132 Männern unterschiedlicher Altersklassen wollte RW herausfinden, wie es um die Lust am Marathon steht
und was Läufer und vor allem Läuferinnen davon abhält, an den Start zu gehen. Auch wenn die Befragung nicht repräsentativ ist, scheint sie doch sehr gut geeignet, um auf Vorurteile zu antworten. Vorurteil Nr. 1: Frauen haben weniger Biss, sie scheuen die Anstrengung im Training und im Rennen. Klingt für manche möglicherweise plausibel, stimmt aber nicht: Dass sie auf Anstrengung keine Lust haben, wird von Männern signifikant häufiger angegeben als von Frauen (bei Läuferinnen und Läufern unter 30 sind es 2,5 % der Frauen, aber 14,3 % der Männer). Vorurteil Nr. 2: Marathon als traditionelle Laufveranstaltung ist für Millennial-Frauen und erst recht für Angehörige der sogenannte Gen Z nicht mehr interessant. Die Umfrage gibt das nicht her: 65,9 % der befragten Frauen unter 30 Jahren planen aktuell eine Marathonteilnahme. Vorurteil Nr. 3: Frauen sind durch berufliche und familiäre Belastungen eher ausgebremst als Männer. Leider scheint das tendenziell richtig zu sein. Frauen geben dies weitaus häufiger als Begründung an, als das Männer tun.
WE ARE FAMILY
Nun können wir als Veranstalter an einer gesellschaftlich ungleichen Verteilung von Care- und Familienarbeit nicht viel ändern. Aber wir können in Frankfurt weiterhin das bieten, was Frauen besonders wichtig ist: Die besten Bedingungen für ein gelungenes Wochenende mit der ganzen Familie – Veranstaltungen für Kinder verschiedener Altersgruppen; kurze Wege für eine unkomplizierte und reibungslose Organisation des Tages; Möglichkeiten sich zu treffen, auszutauschen und zu vernetzen. Gerade an Letzterem wollen weiter arbeiten, denn Frauen spielen uns immer wieder zurück, wie sehr sie die große Laufcommunity rund um den Mainova Frankfurt Marathon schätzen. Eine Veranstaltung, die das Kunststück schafft, für insgesamt mehr als 25.500 Läuferinnen und Läufer aus 113 Nationen attraktiv zu sein und sich dennoch familiär anzufühlen. Der rote Teppich wird hier für jeden Einzelnen und erst recht für jede Einzelne ausgerollt. Denn gerade vor dem Hintergrund der obengenannten dritten Erkenntnis kann man die Leistung von Freizeitläuferinnen nicht hoch genug schätzen. In Frankfurt werden sie auch im kommenden Jahr wieder ganz besonders willkommen sein.