7. Juni 2024 | Running-News

Für Melat Kejeta und Amanal Petros scheint alles möglich

Vorschau auf die Leichtathletik-Europameisterschaften (Teil 3): Die Halbmarathon-Rennen

 

In Rom finden von Freitag bis Mittwoch die Leichtathletik-Europameisterschaften statt. Hier lesen Sie in drei Teilen die Vorschauen auf die Lauf-Wettbewerbe, von den 800 Metern bis zum Halbmarathon.

 

Halbmarathon der Männer

 

Finale: 9. Juni, 9.00 Uhr

Europameister 2016: Tadesse Abraham (Schweiz)

Europarekord: 59:13 Julien Wanders (Schweiz/2019)

Deutscher Rekord: 60:59 Amanal Petros (TV Wattenscheid/2021)

 

Es gibt keinen Topfavoriten in diesem Rennen, bei dem rund zehn Athleten Titelchancen haben könnten. Dazu zählt auch Amanal Petros (SCC Berlin) und je nach Rennverlauf Richard Ringer (LC Rehlingen), dem ein nicht zu schnelles Tempo sicherlich entgegen kommen würde. Angesichts zu erwartender hoher Temperaturen zwischen 23 und 25 Grad Celsius spricht einiges für ein typisches, taktisches Meisterschaftsrennen, bei dem das Tempo zunächst moderat ist.

 

Die schnellsten Athleten auf der Startliste sind der Europarekordler Julien Wanders (Schweiz/59:13 Minuten), der aber seit langem nicht mehr in Topform ist, der Italiener Yemaneberhan Crippa (59:26), der zuletzt vor gut zwei Jahren einen Halbmarathon lief, aber über andere Distanzen Topleistungen zeigte, und der Spanier Carlos Mayo, der im vergangenen Oktober den Landesrekord in Valencia auf 59:39 steigerte. In Valencia liefen damals auch die in Rom startenden Samuel Barata (Portugal/59:40) und Pietro Riva (Italien/59:41) ihre Bestzeiten. Der deutsche Rekordler Amanal Petros (60:09) ist zwar noch nicht unter einer Stunde gelaufen, er hat aber ganz klar das Potenzial dafür. Die Bestzeit von Marathon-Europameister Richard Ringer steht „nur“ bei 61:09, doch bei warmen, taktischen Meisterschaftsrennen ist er schwer zu schlagen.

 

In der integrierten Team-Wertung kann die deutsche Mannschaft in das Rennen um den Sieg eingreifen. Hinter Amanal Petros und Richard Ringer ist das Team des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) mit Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg/Bestzeit: 61:23), Samuel Fitwi (Silvesterlauf Trier/61:33), Hendrik Pfeiffer (TK Hannover/62:05) und Filimon Abraham (LG Telis Finanz Regensburg/62:35) sehr gut besetzt. Italien, Spanien, Frankreich und Israel sind voraussichtlich die stärksten Konkurrenten im Kampf um eine Team-Medaille. Aber auch die Schweizer könnten zu beachten sein. Für sie startet Tadesse Abraham (59:53) als Titelverteidiger. Er gewann den bisher einzigen Halbmarathon bei einer EM vor acht Jahren in Amsterdam. 2020 fiel die EM in Paris aufgrund der Corona-Pandemie aus und 2018 sowie 2022 standen die Marathonläufe auf dem Programm.

 

Während eine Reihe von europäischen Top-Marathonläufern auf einen Halbmarathon-Start verzichten, um sich vollkommen auf den Olympia-Marathon in Paris im August zu konzentrieren, machen es die deutschen Athleten anders: Für Amanal Petros, Richard Ringer und Samuel Fitwi ist das Rennen in Rom ein willkommener Test – wobei natürlich trotzdem Olympia mehr im Fokus steht.

 

 

 

Halbmarathon der Frauen

 

Finale: 9. Juni, 9.30 Uhr

Europameisterin 2016: Sara Moreira (Portugal)

Europarekord: 65:15 Sifan Hassan (Niederlande/2018)

Deutscher Rekord: 65:18 Melat Kejeta (Laufteam Kassel/2020)

 

Melat Kejeta ist die zweitschnellste Läuferin auf der Startliste in Rom. Zudem lief sie während des Qualifikationszeitraumes für dieses EM-Rennen die schnellste Zeit aller Starterinnen. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass die 31-Jährige, die 2020 sensationell Vize-Weltmeisterin im Halbmarathon war und damals den deutschen Rekord auf 65:18 Minuten verbesserte, am Sonntag ganz vorne dabei ist. Denn in einem taktischen Hitzerennen – der Lauf wird 30 Minuten nach dem Rennen der Männer gestartet, so dass es am Ende noch wärmer wird – kann viel passieren. Aber Melat Kejeta muss auch aufgrund der Konkurrenz auf der Startliste als eine Favoritin angesehen werden. Unter ihren Konkurrentinnen war nur eine jemals schneller: Die frühere Kenianerin Joan Melly (Rumänien) hat eine Bestzeit von 65:04, allerdings ist diese bereits sechs Jahre alt. Die drei anderen europäischen Läuferinnen, die bisher Zeiten unter 66:00 Minuten erreichten, starten in Rom gar nicht (Sifan Hassan, Konstanze Klosterhalfen) oder in einem anderen Wettbewerb (Eilish McColgan läuft 10.000 m).

 

Neben Joan Melly könnten Lonah Salpeter (Israel/Bestzeit: 66:09) und Karoline Grovdal (Norwegen/67:34) die stärksten Konkurrentinnen von Melat Kejeta sein. Einige Läuferinnen verzichten auf den EM-Halbmarathon, um sich auf Olympia zu konzentrieren. Und auch für Melat Kejeta, die in Äthiopien trainierte, steht der Marathon in Paris im August natürlich im Vordergrund. Aber sie nutzt das EM-Rennen in Rom ebenso wie Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg/69:46) auch als Test im Hinblick auf Olympia.

 

Wie bei den Männern hat auch das deutsche Frauen-Team sehr gute Chancen, eine Medaille zu gewinnen. Mit Fabienne Königstein (MTG Mannheim/69:32), Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt/69:38) und Esther Pfeiffer (Hannover 96/70:24) gibt es insgesamt eine gute Besetzung. Allerdings musste Alina Reh (SCC Berlin/68:42) ihren Start absagen, da sie nicht rechtzeitig eine entsprechende Form aufbauen konnte. Leider war es wohl nicht möglich, Alina Reh kurzfristig durch Deborah Schöneborn (SCC Berlin/69:41) zu ersetzen. Sie läuft nun 10.000 m in Rom, hätte aber normalerweise über die längere Distanz bessere Chancen gehabt.

 

Text: Jörg Wenig / Race News Service

Fotos: Victah Sailer / photorun.net

Amanal Petros gehört in Rom zu den Favoriten. Foto: Victah Sailer / photorun.net