14. Januar 2022 | Running-News

Neue Dimensionen im Halbmarathon

Die Jahresbilanz der Frauen: Letesenbet Gidey läuft Fabel-Weltrekord, mehrere Bestzeiten bei deutschen Topläuferinnen

 

Die sprunghaft voranschreitende Leistungsentwicklung im Halbmarathonlauf der Frauen setzte sich auch 2021 fort. Dabei wurden im Vergleich einmal mehr auch die Männer in den Schatten gestellt. Bei den Frauen fiel 2021 gleich zweimal der Weltrekord und Letesenbet Gidey trieb die Bestzeit dabei in ganz neue Dimensionen: Die Äthiopierin steigerte in Valencia die Marke um über eine Minute auf 62:52. Die drei schnellsten Zeiten aus dem Jahr 2021 sind zugleich auch die schnellsten aller Zeiten. Eine Reihe von deutschen Halbmarathonläuferinnen erreichten im vergangenen Jahr persönliche Bestzeiten, obwohl es auf höchster Ebene keine sensationellen Erfolge wie noch 2020 gab.

 

Der Lauf der Letesenbet Gidey in Valencia am 24. Oktober gehört sicherlich zu den besten Debüts, die es in der Geschichte des Straßenlaufsports gegeben hat. Weit zurückgeblickt, waren Grete Waitz und Emil Zatopek ähnliche, herausragende und einzigartige Debütrennen gelaufen. Die Norwegerin gewann 1978 ihren ersten Marathon in New York mit einer Weltbestzeit von 2:32:30 Stunden und der legendäre Tscheche siegte bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki bei seinem Marathon-Debüt, nachdem er wenige Tage zuvor auch schon die Goldmedaillen über 10.000 und 5.000 m gewonnen hatte – eine Leistung, die wohl nicht mehr zu wiederholen ist.

 

Die schnellsten drei Zeiten des Jahres 2020 waren damals zugleich die drei schnellsten je gelaufenen Ergebnisse. Genau das wiederholte sich 2021: Dabei war es zunächst die Kenianerin Ruth Chepngetich, die im April in Istanbul den Weltrekord auf 64:02 Minuten steigerte. Damit rutschte sie jedoch im Herbst noch auf Rang drei in der ewigen Bestenliste ab, denn in Valencia lief neben Letesenbet Gidey auch deren äthiopische Landsfrau Yalemzerf Yehualaw schneller (63:51). Sechs Zeiten unter 65:00 Minuten sind ebenfalls ein Jahresrekord – bisher waren es maximal drei (2020). Auch in der breiteren Spitze war 2021 wieder ein außergewöhnlich starkes Jahr. 15 Ergebnisse unter 66:00 wurden gestoppt (nur 2020 war es noch eine Zeit mehr).

 

Wird sich diese enorme Leistungsentwicklung in der Spitze 2022 wieder beruhigen? Und sieht man in der Folge diese Leistungssprünge, die natürlich auch mit der revolutionären Entwicklung bei den Laufschuh-Modellen zusammenhängen, bald in gehäufter Form im Marathon? Dafür spricht einiges, wenn man sich ausrechnet, was für Letesenbet Gidey über 42,195 km möglich sein könnte.

 

Im Halbmarathon dominierten die Äthiopierinnen und Kenianerinnen die Jahresweltbestenliste so stark wie in keiner anderen Straßenlauf-Disziplin. Unter den schnellsten 50 Zeiten des Jahres 2021 finden sich lediglich fünf, die nicht von einer Kenianerin oder Äthiopierin gelaufen wurden. Bei diesen fünf wiederum handelt es sich aber viermal um Athletinnen, die ursprünglich aus Äthiopien oder Kenia stammen – darunter ist auch Melat Kejeta (Laufteam Kassel). Die einzige Ausnahme bildet die Britin Eilish McColgan, die mit 67:48 Minuten Rang 44 in der Jahresweltbestenliste belegt.

 

Ähnlich wie bei den Männern nimmt der Valencia-Halbmarathon bei den Top-Ergebnissen der Frauen eine führende Stellung ein. Drei der zehn schnellsten Zeiten des Jahres stammen aus der spanischen Stadt. Sogar vier dieser Top 10 wurden 2021 in Istanbul gelaufen. Das hochklassigste deutsche Rennen über die 21,0975 km findet in Berlin statt. Die Siegerin Joyciline Jepkosgei und ihre zweitplatzierte kenianische Landsfrau Nancy Jelagat belegen mit 65:16 beziehungsweise 65:21 Minuten in der Jahresbestenliste immerhin die Plätze neun und zehn.

 

Die schnellsten Europäerinnen lagen 2021 ein großes Stück hinter der Weltspitze. Lonah Salpeter (Israel) führt die kontinentale Bestenliste mit 67:09 Minuten vor Melat Kejeta (67:33) an. Mit vier weiteren Läuferinnen unter den Top 20 ist Deutschland in der europäischen Rangliste sehr gut vertreten.

 

Melat Kejeta war natürlich auch 2021 die deutsche Nummer eins. Zwar kam sie nicht an ihre sensationelle Leistung bei der Halbmarathon-WM 2020 heran, als sie Silber gewann und den deutschen Rekord auf 65:18 Minuten verbesserte. Doch ihre Zeit von 67:33 aus Istanbul ist die zweitschnellste je gelaufene einer deutschen Athletin. Wie schon 2020 blieben zwei nationale Läuferinnen unter 70:00 Minuten. Neben Melat Kejeta gelang dies Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg), die sich in Dresden auf 69:52 steigerte.

 

Mit fünf Läuferinnen die Zeiten von unter 71:00 Minuten erreichten sowie zwei weiteren mit Ergebnissen von unter 72:00 war die deutsche Frauen-Spitze 2021 so stark wie noch nie (vier bzw. sechs waren es 2020). Von den sieben Athletinnen mit Zeiten unter 72:00 erzielten fünf eine persönliche Bestleistung. Hinter Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin), die mit 72:53 Rang acht belegt, klafft dann allerdings eine etwas größere Lücke zu Hanna Gröber (LAV Stadtwerke Tübingen/74:32).

 

Während Alina Reh (SCC Berlin) im vergangenen Jahr keinen Halbmarathon lief, sorgte ein Youngster für Furore: Blanka Dörfel steigerte sich zunächst in Dresden auf 72:32 und unterbot diese Zeit dann in Hamburg mit 71:54. Beide Male stellte die 19-Jährige deutsche Rekorde in der Altersklasse der unter 20-Jährigen auf. Und Blanka Dörfel war 2021 sogar die zweitschnellste Juniorin weltweit.

 

 

Die Jahres-Bestenlisten 2021

 

International:

62:52  Letesenbet Gidey                            ETH                Valencia        24.10.

63:51  Yalemzerf Yehualaw                                 ETH                Valencia        24.10.

64:02  Ruth Chepngetich                          KEN               Istanbul         4.4.

64:40  Yalemzerf Yehualaw                      ETH                Istanbul         4.4.

64:51  Hellen Obiri                                      KEN               Istanbul         4.4.

64:54  Sheila Kiprotich                               KEN               Valencia        24.10.

65:08  Tsehay Gemechu                           ETH                Kopenhagen 19.9.

65:09  Joan Chelimo Melly                        KEN               Istanbul         4.4.

65:16  Joyciline Jepkosgei                                    KEN               Berlin             22.8.

65:21  Nancy Jelagat                                  KEN               Berlin             22.8.

65:36  Gotytom Gebreslase                      ETH                Manama/BRN  12.12.

65:41  Hawi Feysa                                      ETH                Kopenhagen 19.9.

65:44  Brenda Jepleting                             KEN               Valencia        24.10.

65:46  Betty Lempus                                  KEN               Paris              5.9.

65:47  Kalkidan Gezahegne                     BRN               Manama/BRN  12.12.

 

Deutschland:

67:33              Melat Kejeta (Laufteam Kassel)                           Istanbul         4.4.

69:52*            Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg)  Dresden   21.3.

70:02              Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg)   Hamburg       17.10.

70:35*            Rabea Schöneborn (LG Nord Berlin)                  Berlin             22.8.

70:43*            Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt)                      Sapporo/JPN            5.5.

71:34*            Kristina Hendel (LG Braunschweig)                    Berlin             22.8.

71:54*            Blanka Dörfel (SCC Berlin)                                               Hamburg       17.10.

72:53              Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin)              Lugano          29.8.

74:26*            Hanna Gröber (LAV Stadtwerke Tübingen)      Hamburg       17.10.

74:49*            Melina Wolf (LG Region Karlsruhe)                    Hamburg       17.10.

 

  • = persönliche Bestzeit

 

 

Die schnellsten je gelaufenen Zeiten

 

62:52  Letesenbet Gidey                ETH                Valencia        2021

63:51  Yalemzerf Yehualaw                      ETH                Valencia        2021

64:02  Ruth Chepngetich               KEN               Istanbul         2021

64:31  Ababel Yeshaneh               ETH                Ras Al Khaimah/UAE         2020

64:40  Yalemzerf Yehualaw          ETH                Istanbul         2021

64:46  Yalemzerf Yehualew          ETH                Neu-Delhi     2020

64:49  Brigid Kosgei                                   KEN               Ras Al Khaimah/UAE        2020

64:51  Joyciline Jepkosgei            KEN               Valencia        2017

64:51  Hellen Obiri                          KEN               Istanbul         2021

64:52  Joyciline Jepkosgei                        KEN               Prag               2017

64:52  Fancy Chemutai                  KEN               Ras Al Khaimah/UAE         2018

64:54  Sheila Kiprotich                   KEN               Valencia        2021

 

 

Die schnellsten Deutschen aller Zeiten

 

65:18  Melat Kejeta (Laufteam Kassel)                           Gdynia/POL             2020

67:58  Uta Pippig (SCC Berlin)                                        Kyoto/JPN                1995

68:45  Sabrina Mockenhaupt (Kölner Verein für Marathon)   Berlin             2009

68:51  Irina Mikitenko (TV Wattenscheid)                                  Paderborn                2008

69:15  Katrin Dörre-Heinig (SC DHfK Leipzig)              Grevenmacher/LUX           1998

69:31  Alina Reh (SSV Ulm)                                             Köln                           2018

69:35  Luminita Zaituc (LG Braunschweig)                    Grevenmacher/LUX           2004

69:36  Melanie Kraus (Bayer Leverkusen)                     Grevenmacher/LUX           1999

69:43  Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg)   Dresden                    2020

69:52  Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) Dresden                2021

 

Text und Statistik: race-news-service.com

Fotos: photorun.net, Global Sports Communication

Melat Kejeta war auch 2021 die mit Abstand schnellste deutsche Halbmarathon-Läuferin. Foto: www.photorun.net