26. September 2016 | Marathon-News

Arne Gabius: „Jeder träumt vom Olympia-Marathon“

Arne Gabius sorgte für die große Überraschung beim BMW Frankfurt-Marathon. Der 33-jährige Athlet des LAV Stadtwerke Tübingen lief in seinem Marathondebüt auf Anhieb unter 2:10 Stunden und durchbrach damit eine Marke, die deutsche Athleten seit 24 Jahren nicht mehr erreicht hatten. Damals, als Jörg Peter und Stephan Freigang in Berlin 2:09:23 und 2:09:45 rannten, war Arne Gabius neun Jahre alt. Er hatte allerdings schon einen Marathon gesehen. Denn in Hamburg lebend, stand er bei Kilometer 27 an der Strecke, als sein Vater dort lief. „Ich hatte aber keine Vorstellung, wie lang das ist und was das bedeutet.“ Jetzt weiß er es ganz genau, und der Schritt zum Marathon könnte der wichtigste seiner Karriere gewesen sein. Mit 2:09:32 Stunden belegte Arne Gabius einen starken neunten Platz in dem hochkarätigen Frankfurter Feld. Es war vielleicht die beste Leistung im deutschen Männer-Marathon seit Stephan Freigang bei Olympia 1992 in Barcelona überraschend die Bronzemedaille gewann – zumindest aber der mit Abstand beste Lauf in diesem Jahrtausend. Deutschland hat mit Arne Gabius nach Jahrzehnten wieder einen Läufer, der zur europäischen Spitze gehört.

„Genau so habe ich mir einen Marathon vorgestellt“, sagte Arne Gabius. „Ich bin sehr froh, dass ich die zweite Hälfte schneller laufen konnte als die erste.“ Dieser „negative Split“ gelang im Männer-Elitefeld am Sonntag nur einem einzigen Läufer: Arne Gabius. „Ich hatte vor dem Rennen gut gegessen und bin dann immer leichter geworden. Das ist auch ein Ratschlag von Renato Canova, von dem ich mir meine Trainingsratschläge hole. Es ist wie ein vollgetanktes Auto, das dann durch das verbrauchte Benzin leichter und schneller wird. Ab Kilometer 30 habe ich gedacht, jetzt versuchst du es, du fühlst dich gut. Ich bin froh, dass ich zu dem gut organisierten Rennen meinen Beitrag leisten konnte. Mein Plan war es, unter 2:10 Stunden zu laufen“, sagte Arne Gabius.

Nachdem er im Frühjahr beim New York-Halbmarathon bereits ein sehr beachtliches Debüt über diese Distanz gelaufen war – dort belegte er Rang acht mit 62:09 Minuten auf einer nicht leichten Strecke –, sagte er sich: „Marathon? Warum nicht!“ Im Juni unterhielt er sich dann in Ostrava mit dem italienischen Erfolgscoach Renato Canova, der eine Reihe von kenianischen Weltklasseläufern betreut. Von ihm erhielt er Trainingspläne für die Marathon-Vorbereitung.

Anfangs sei Renato Canova eher skeptisch gewesen, „aber dann war er ganz begeistert. Das Training mit Läufen von 20, 25 oder 30 Kilometern hat mir Spaß gemacht“. Teilweise absolvierte Arne Gabius, der als 15-Jähriger ohne Training bei Schulmeisterschaften die 1.000-m-Strecke unter drei Minuten gelaufen war und dadurch als Talent aufgefallen war, hohe Umfänge von deutlich über 200 Kilometern pro Woche.

Vom umfangreichen Training, da ist sich Arne Gabius sicher, wird er auch über die kürzeren Strecken und auf der Bahn profitieren. „Durch das Marathontraining habe ich mehr Stabilität“, sagt der Vize-Europameister über 5.000 m von 2012, der sich im nächsten Jahr zunächst auf die Bahn-Langstrecken konzentrieren wird. „Ein Halbmarathon im Frühjahr ist durchaus denkbar, aber kein Marathon.“ Stattdessen will Arne Gabius – der 2011 den praktischen Teil seines Medizinstudiums abgeschlossen hatte, sich seitdem auf das Laufen konzentrierte und dadurch deutlich erfolgreicher ist als früher – vor allem seine 10.000-m-Bestzeit deutlich unterbieten. „Ich habe über diese Strecke noch Nachholbedarf und denke, dass ich eine Zeit in Richtung 27:30 Minuten erreichen kann.“ Den deutschen Rekord über 10.000 m hält sein früherer Trainer Dieter Baumann mit 27:21,53 Minuten. Bei der WM 2015 will Arne Gabius auf jeden Fall über eine Bahn-Langstrecke starten.

Ein Herbstmarathon ist allerdings denkbar und der BMW Frankfurt-Marathon, in den 2015 auch die Deutschen Meisterschaften integriert sein werden, eine nahe liegende Option. Dort könnte sich Arne Gabius, der sich rein vegetarisch ernährt, dann auch für die Olympischen Spiele qualifizieren. „Vom olympischen Marathon träumt natürlich jeder. Das ist etwas ganz Großes. Die Tür kann ich nicht zuschlagen.“

Auf dem Weg dorthin traut ihm Renato Canova noch einiges zu. Für Frankfurt hatte er ihm schon vor ein paar Wochen anhand der Trainingsleistungen eine Zeit zwischen 2:10 und 2:11 prognostiziert. „Er hat mir gesagt, wenn mir bei diesem Tempo eine schnellere zweite Hälfte gelingt, dann kümmern wir uns im nächsten Jahr auch um den deutschen Rekord.“ Diesen hält Jörg Peter seit 1988 mit 2:08:47 Stunden. Dass man nach dem BMW Frankfurt-Marathon darüber schreiben könnte, hätte niemand gedacht.

Die beste Deutschen aller Zeiten

2:08:47

Jörg Peter (Dresden)

Tokio

1988

2:09:03

Michael Heilmann (Berlin)

Hiroshima

1985

2:09:23

Christoph Herle (Waldkraiburg)

London

1985

2:09:32

Arne Gabius (Tübingen)

Frankfurt

2014

2:09:45

Stephan Freigang (Cottbus)

Berlin

1990

2:09:55

Waldemar Cierpinski (Halle)

Montreal

1976

2:10:01

Ralf Salzmann (Kassel)

Tokio

1988

2:10:22

Carsten Eich (Fürth)

Hamburg

1999

2:10:59

Michael Fietz (Münster)

Frankfurt

1997

2:11:17

Herbert Steffny (Freiburg)

Chicago

1986

Text: race-news-service.com
Foto: photorun.net