Wie Frankfurt in die internationale Marathon-Eliteliga aufstieg
Der Mainova Frankfurt-Marathon, der am Sonntag zum 35. Mal gestartet wird, zählt zu den hochklassigsten Rennen über die klassischen 42,195 km weltweit. An eine derart starke internationale Position war vor zehn Jahren, beim 25. Jubiläum, noch nicht zu denken. Doch in der Zeit vom großen zum kleineren Jubiläum hat sich Deutschlands spitzensportliche Nummer zwei – hinter dem BMW Berlin-Marathon – enorm entwickelt. Gemessen an dem Streckenrekord des Kenianers Wilson Kipsang, der vor fünf Jahren sensationelle 2:03:42 Stunden lief, ist der Mainova Frankfurt-Marathon der viertschnellste Lauf der Welt – hinter Berlin, London und Boston, wo allerdings die Strecke nicht rekord-konform ist.
Und auch breitensportlich ging es voran. Bisher haben sich für das Jubiläum am Sonntag 15.500 Läufer angemeldet. Es ist durchaus möglich, dass mit den Nachmeldungen der Teilnehmerrekord von knapp über 16.000 Läufern noch übertroffen wird.
1981 begann die Geschichte des Frankfurt-Marathons, als in Deutschland die ersten drei großen Cityrennen gestartet wurden. Zwei davon hatten im Mai ihre Premiere: Die „25 km de Berlin“ und der Frankfurt-Marathon. Im September fand dann der Berlin-Marathon erstmals auf den Straßen der Stadt statt und nicht mehr im Wald.
Für die Veranstalter war eine Premiere eines Straßenlaufes damals eine große Herausforderung. In Frankfurt gab es dabei entscheidende Unterstützung vom Chemie-Unternehmen Hoechst. Das Unternehmen hat seinen eigenen Sportklub (OSC Hoechst) und rund 130 Läufer des Klubs starteten damals bei nationalen und internationalen Rennen. Irgendwann entschied eine Gruppe dieser Läufer, dass man einen eigenen Lauf organisieren sollte. Es bestand Einigkeit darin, dass es sich dabei um eine Veranstaltung handeln sollte, an der Elite- und Breitensportler zugleich teilnehmen konnten.
Mit Hilfe von Hoechst wurde ein Organisationsteam zusammengestellt. Das Unternehmen wurde nicht nur Titelsponsor und unterstützte den Lauf finanziell sondern Hoechst stellte auch Personal und Material. Wolfram Bleul war der erste Race-Direktor. Am 17. Mai 1981 startete der legendäre Emil Zatopek den ersten Frankfurt-Marathon neben einer Hoechst-Fabrik. Die Premiere hatte 3.169 Meldungen und verzeichnete 2.588 Läufer im Ziel. Rund 150.000 Zuschauer säumten die Strecke. Der Schwede Kjell-Erik Stahl gewann das Rennen in 2:13:20 Stunden – eine für damalige Verhältnisse ordentliche Zeit.
1982 stieg die Anmeldezahl auf 5.529 Läufer und die Siegzeiten verbesserten sich in den Jahren nach der Premiere ebenfalls. 1983 lief Charlotte Teske mit 2:28:32 Stunden die erste Zeit unter 2:30 und stellte damit einen bundesdeutschen Rekord auf. Ein Jahr später erreichte der äthiopische Weltklasseläufer Dereje Nedi 2:11:18. Das war die bis dahin schnellste je in Deutschland gelaufene Zeit. Zuvor war Frank Shorter (USA) bei seinem Olympiasieg in München 1972 2:12:19 gelaufen.
Doch nachdem sich Hoechst vom Frankfurt-Marathon zurückzog, musste das Rennen 1986 abgesagt werden – durch diesen einmaligen Ausfall findet nun die 35. Auflage erst 2016 statt und nicht 2015. Eine neue Organisation wurde geformt, wobei die Stadt Frankfurt fortan eine stärkere Rolle spielte. Die sechste Auflage des Frankfurt-Marathons wurde dann 1987 auf einem neuen Kurs gestartet.
In den 90er Jahren hatte das Rennen eine Reihe von deutschen Siegern – darunter waren Katrin Dörre-Heinig, Luminita Zaituc und Herbert Steffny –, aber verglichen mit den Marathonläufen von Berlin oder Hamburg konnte Frankfurt nicht mehr mithalten. Während in der deutschen Hauptstadt eine Reihe von Weltklassezeiten und sogar Weltrekorde gelaufen wurden, wartete man am Main vergeblich auf die erste Zeit unter 2:10 Stunden. Nach starken ersten Jahren Anfang der 80er hatte Frankfurt den Anschluss verloren.
Eine politische Entscheidung der Stadt Frankfurt ebnete schließlich den Weg für einen Aufwärtstrend. 2002 wurde entschieden, dass Jo Schindler die Organisation übernehmen sollte. Er hatte in den Jahren zuvor den Regensburg-Marathon erfolgreich entwickelt und war bereit für die Herausforderung. Jo Schindler hatte die Vision, den Frankfurt-Marathon zu einem Weltklasse-Event zu machen – wonach es damals überhaupt nicht aussah. Der neue Race-Direktor nutzte vorhandene und bewährte Frankfurter Kräfte, doch er band auch neue, zum Teil sehr erfahrene und erfolgreiche Personen in die Organisation ein.
„Nach der Veranstaltung im Jahr 2002 haben wir alles analysiert und dann damit begonnen, Dinge zu ändern. Es war unser Ziel, den Frankfurt-Marathon als erstklassiges Eliterennen zu positionieren. Zugleich wollten wir den Breitensportlern einen herausragenden Service bieten“, erklärt Jo Schindler. Eine der ersten einschneidenden Änderungen war die Verlegung des Ziels in die Festhalle. „Wir mussten etwas sehr emotionales anbieten, denn der Marathon ist ein emotionales Event“, sagt Jo Schindler.
Für den Frankfurt-Marathon 2003 brachte Jo Schindler einen neuen Koordinator für das Elitefeld in das Organisationsteam: Christoph Kopp. Der Berliner hatte einst aus dem Berlin-Marathon ein Weltklasserennen gemacht und hatte Jo Schindler bereits in Regensburg unterstützt. Er hatte umgehend auch Erfolg in Frankfurt. 2003 fiel endlich die 2:10-Stunden-Marke am Main. Der Kenianer Boaz Kimaiyo gewann das Rennen in 2:09:28. Seitdem war kein Sieger in Frankfurt langsamer als 2:10 Stunden.
Sieben Streckenrekorde in den folgenden acht Jahren katapultierten das Rennen in die Gruppe der schnellsten Marathonläufe der Welt. Der bisherige Höhepunkt war der Sieg von Wilson Kipsang, der 2011 das 30. Jubiläum mit einer Kursbestzeit von 2:03:42 Stunden krönte und dabei den damaligen Weltrekord um lediglich vier Sekunden verpasste. „Der Frankfurt Marathon 2011 war eines der wichtigsten Rennen meiner Karriere. Es war mein erster Versuch, den Weltrekord anzugreifen. Und obwohl ich ihn damals um vier Sekunden verpasste, hat Frankfurt mich als Läufer auf ein neues Level gebracht. Die Gastfreundschaft der Menschen und der Zieleinlauf in Frankfurt sind großartig“, erinnert sich der spätere Weltrekordler Wilson Kipsang an dieses Rennen.
Auch bei den Frauen wurde der Streckenrekord deutlich gesteigert: Die Äthiopierin Meselech Melkamu siegte 2012 mit der Weltklassezeit von 2:21:01 Stunden. Am Sonntag könnten die schnellsten Frauen vielleicht in diesen Zeitbereich kommen.
In der Liste der schnellsten City-Marathonrennen der Welt hat sich Frankfurt in den letzten Jahren sowohl bei den Männern als auch den Frauen unter die Top Ten geschoben. Hier wird der Durchschnitt der zehn schnellsten je erzielten Zeiten des jeweiligen Rennens zu Grunde gelegt.
Entwicklung der Streckenrekorde
MÄNNER
2:03:42 Wilson Kipsang KEN 2011
2:04:57 Wilson Kipsang KEN 2010
2:06:14 Gilbert Kirwa KEN 2009
2:07:21 Robert Kiprono Cheruiyot KEN 2008
2:07:58 Wilfred Kigen KEN 2007
2:08:29 Wilfred Kigen KEN 2005
2:09:10 Boaz Kimaiyo KEN 2004
2:09:28 Boaz Kimaiyo KEN 2003
2:10:40 Henry Cherono KEN 2000
2:10:59 Michael Fietz GER 1997
2:11:18 Dereje Nedi ETH 1984
2:12:41 Mehmet Altun TUR 1983
2:12:54 Delfim Moreira POR 1982
2:13:20 Kjell-Erik Stahl SWE 1981
FRAUEN
2:21:01 Meselech Melkamu ETH 2012
2:21:59 Mamitu Daska ETH 2011
2:23:25 Caroline Kilel KEN 2010
2:25:12 Alevtina Biktimirova RUS 2005
2:26:01 Luminita Zaituc GER 2001
2:26:48 Katrin Dörre-Heinig GER 1997
2:27:44 Franziska Moser SUI 1994
2:28:32 Charlotte Teske GER 1983
2:36:38 Heidi Hutterer GER 1982
2:47:18 Doris Schlosser GER 1981
Text und Statistik: race-news-service.com
Fotos: photorun.net