27. Oktober 2017 | Marathon-NewsRunning-News

Sara Hall: Plötzlich Großfamilie

Wie man eine Marathonlaufbahn startet und dabei vierfache Mutter wird

 

Das Jahr 2015 brachte zwei markante Neuerungen im Leben von Sara Hall. Die US-Amerikanerin lief die ersten zwei Marathons ihrer Karriere und wurde parallel dazu Mutter von vier Töchtern. Am Sonntag startet sie beim Mainova Frankfurt Marathon, was eine sportlich wie menschlich außergewöhnliche Geschichte ist.

 

Hana, Mia, Jasmine und Lily heißen die Kinder. Sie sind heute zwischen sieben und 17 Jahre alt. Sara und ihr Mann Ryan Hall haben die Schwestern aus einem äthiopischen Waisenhaus adoptiert. Mehrfach waren die Halls davor in Äthiopien zum Training. Die Erfahrungen außerhalb des gewohnten Wohlstandes haben sie geprägt. „Meine Lebenseinstellung hat sich in Äthiopien verändert. Es macht einen extrem demütig, wenn man sieht, wie 60.000 Kinder in Addis Abeba auf den Straßen leben und kein Zuhause haben“, erzählt Sara Hall. Daraus ist der Antrieb entstanden, selbst etwas zur Verbesserung der Situation beizutragen.

 

Ursprüngliche Idee von Sara und Ryan war es, ein Baby zu adoptieren. Dann haben sie von den vier Schwestern gehört. „Wir verbrachten einige Zeit im Waisenhaus. Wir wollten nicht, dass sie auseinandergerissen werden und in unterschiedliche Länder zu unterschiedlichen Familien gehen müssen. Deshalb haben wir uns entschieden, alle vier zu adoptieren“, sagt sie. Nach Abschluss eines zehnmonatigen Adoptionsprozesses ist im Herbst 2015 eine Großfamilie entstanden, die in Redding, Kalifornien, lebt. Dazu wollen die gläubigen Christen Sara und Ryan Hall mit der von ihnen gegründeten „Steps Foundation“ weitere Hilfsarbeit in Äthiopien leisten. Mehr Infos dazu gibt es auf www.ryanandsarahall.com.

Die vier Mädchen sind aktuell in den USA geblieben. Sie verfolgen den Marathon am Sonntag gemeinsam mit den Eltern von Sara Hall via Livestream von Kalifornien aus und sehen ihrer Mutter dabei zu, ob sie es schafft, ihre Bestzeit von 2:28:26 Stunden wie erhofft deutlich zu verbessern. 2:25 Stunden lautet das Ziel. Damit könnte sie sich im stark besetzten Frankfurter Elitefeld sehr gut platzieren.

 

Sara Hall, 34, war als Mittelstreckenläuferin über Jahre hin recht erfolgreich. Ein Sieg bei den Panamerika-Meisterschaften 2011 über 3.000 m Hindernis und ein achter Platz bei der Hallen-WM 2012 über 3.000 m sind internationale herzeigbare Resultate. Zweimal war sie bei Crosslauf-Weltmeisterschaften am Start. 2006 lief sie auf der 4-km-Kurzdistanz und holte den 26. Rang. 2015 erreichte sie über 8 Kilometer als eine der besten Nicht-Afrikanerinnen den 20. Platz.

 

Im Marathonlauf hat sie ab 2015 eine neue Herausforderung gefunden. Sie verbesserte sich Schritt für Schritt. Nach 2:31:14 in Chicago 2015 kam sie in London 2016 mit 2:30:06 knapp an die 2:30-Marke heran. Danach lief sie in New York 2016 auf den neunten Platz (2:36:12). Den Durchbruch auf der klassischen Langdistanz schaffte sie heuer im Februar beim World Marathon Majors Rennen in Tokio. Hier erreichte sie in 2:28:26 Stunden Rang sechs und konnte erstmals die 2:30-Marke unterbieten. Nun wird sie zum ersten Mal bei einem Marathon in Deutschland antreten.

 

In der Vorbereitung auf Frankfurt verbrachte Sara Hall mit ihrer Familie zweieinhalb Monate in Äthiopien und trainierte in und um Addis Abeba auf fast 3000 Meter Höhe. „Es ging auch darum, die Kinder zurück zu ihren Wurzeln zu bringen“, sagt sie. Sportlich stehen die Vorzeichen gut für das erhoffte Bestzeitrennen. Sie hatte einen „guten Aufbau“, wie Sara Hall sagt. Seit dem Tokio Marathon im Februar war mehr Zeit als sonst in einer Marathonvorbereitung, um auch an der Schnelligkeit zu arbeiten. Im Juli 2017 feierte sie den Sieg beim Gold Coast Halbmarathon in Australien in 70:32 Minuten, der damals zweitbesten Zeit ihrer Laufbahn. Im unmittelbaren Anlauf zu Frankfurt gelangen ihr zwei Rennen, die gut fürs Selbstvertrauen sind. Am 17. September blieb sie in Kopenhagen mit 69:37 Minuten im Halbmarathon erstmals unter der 70-Minuten-Marke. Dazu feierte sie am 1. Oktober in St. Paul im Rahmen des Twin Cities Marathon den Titelgewinn bei den US-Meisterschaften über 10 Meilen.

 

Trainiert wird sie von ihrem Mann Ryan Hall. Er hält mit 59:43 Minuten den Amerika-Rekord im Halbmarathon und lief 2011 beim Boston Marathon als Vierter die Zeit von 2:04:58 Stunden. Beim Olympiamarathon von Beijing 2008 erreichte er den zehnten Rang. „Ryan begleitet mich bei den Trainings am Rad und hat viel über die richtige Mentalität fürs Marathonlaufen gesprochen“, so Sara Hall. Ihr Mantra beim Marathon lautet: „Relax.“ Der Beginn eines Marathons fühlt sich für die frühere Bahnläuferin „immer so langsam“ an.

 

Noch nie in der Geschichte des Mainova Frankfurt Marathons ist eine Läuferin oder ein Läufer aus den USA unter die ersten drei gelaufen. Im Vorjahr waren Lindsay Flanagan und Robert Curtis knapp dran – beide erreichten jeweils den vierten Platz. Sara Hall könnte mit einer Top-Platzierung für eine Premiere sorgen.